Chinas neues Gesetz über Auslandsinvestitionen: Implikationen für ausländisch finanzierte Firmen

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An der Schwelle zum neuen Jahrzehnt werden für das Jahr 2020 mehrere entscheidende Veränderungen des Geschäftsumfelds für ausländisch finanzierte Unternehmen in China erwartet. Wie in unseren früheren Artikeln hervorgehoben, wird das Social-Credit-System für Unternehmen eingeführt. Eine weitere wichtige Änderung besteht im Inkrafttreten des neuen Gesetzes über ausländische Investitionen (Foreign Investment Law, FIL) zum 1. Januar 2020.

In den letzten Jahren wurde China von verschiedenen Seiten in Bezug auf die Behandlung ausländischer Unternehmen und den unfairen Wettbewerbsvorteil einheimischer Firmen auf dem chinesischen Markt kritisiert. In dem Bemühen, die Wirtschaft weiter zu reformieren, ausländische Investitionen aktiv zu fördern und die gesetzlichen Rechte und Interessen ausländischer Investoren zu schützen, wird daher 2020 das neue FIL umgesetzt.
Für Niederlassungen ausländisch finanzierter Unternehmen ist es wichtig, ein Verständnis der Änderungen im Jahr 2020 zu erlangen, die sich aus der Umsetzung des neuen Gesetzes ergeben. In diesem Artikel diskutieren wir, was das neue Auslandsinvestitionsgesetz für Unternehmen bedeutet und wie sich dieses sowohl auf bestehende ausländische Firmen in China als auch auf Unternehmen auswirkt, die in den chinesischen Markt eintreten möchten.

HINTERGRUND​

Nach Chinas Marktreform und -öffnung verabschiedete das Land 1979 sein Gesetz über Joint Ventures (JVs), gefolgt von den Gesetzen über vollständig in ausländischem Besitz befindliche Unternehmen (WFOEs) und kooperative Joint Ventures in den 1980er Jahren. Seit ihrer Einführung definieren diese Gesetze den rechtlichen Rahmen für ausländische Investoren in China.
Um mehr Klarheit und Transparenz zu schaffen, wurde an einem neuen Rechtsrahmen gearbeitet. 2015 veröffentlichte das chinesische Handelsministerium (MOFCOM) einen Entwurf des Gesetzes über Auslandsinvestitionen in der VR China. Die Pläne wurden jedoch bis Ende 2018 zurückgestellt. Anschließend verabschiedete die chinesische Regierung innerhalb weniger Monate am 15. März 2019 das neue Auslandsinvestitionsgesetz. Die außergewöhnliche Geschwindigkeit, mit der das neue FIL auf den Weg gebracht wurde, deutet darauf hin, dass geopolitische Ereignisse wie der China-US-Handelskrieg und die anhaltende Kritik an der Reformfähigkeit des Landes hierbei eine Rolle gespielt haben dürften.
Das neue Auslandsinvestitionsgesetz wird eingeführt, um einige der größten Bedenken ausländischer Unternehmen in China auszuräumen. Das Gesetz zielt darauf ab, Gleichbehandlung ausländischer und einheimischer Unternehmen, besseren Schutz der Rechte von Investoren und Schutz vor erzwungenem Technologietransfer zu fördern.

ÜBERBLICK ÜBER DAS NEUE AUSLANDSINVESTITIONSGESETZ​

Das neue Auslandsinvestitionsgesetz gilt für alle ausländischen Investitionen auf dem chinesischen Festland. Unter Auslandsinvestitionen werden Investitionstätigkeiten verstanden, die direkt oder indirekt von einer ausländischen natürlichen Person, einem ausländischen Unternehmen oder einer anderen Organisation getätigt werden. Dazu gehören die folgenden Fälle:

1. Ein ausländischer Investor gründet ein Unternehmen im Hoheitsgebiet Chinas, unabhängig oder gemeinsam mit anderen Investoren.
2. Ein ausländischer Investor erwirbt Anteile, Aktien, Grundbesitzanteile oder ähnliche Rechte und Interessen eines Unternehmens im Hoheitsgebiet Chinas.
3. Ein ausländischer Investor tätigt eine Investition, um ein neues Projekt im Hoheitsgebiet Chinas unabhängig oder gemeinsam mit anderen Investoren zu initiieren; und
4. Ein ausländischer Investor tätigt eine Investition auf eine andere Weise, welche in Gesetzen, Verwaltungsvorschriften oder Bestimmungen des Staatsrates behandelt wird.

Das neue Auslandsinvestitionsgesetz beinhaltet sechs verschiedene Kapitel, welche allgemeine Bestimmungen, Investitionsförderung, Schutz und Verwaltung, rechtliche Haftung und ergänzende Bestimmungen umfassen. Das Gesetz zielt darauf ab, fairen Wettbewerb, einheitliche Anwendung von Richtlinien zur Unterstützung der Unternehmensentwicklung auf einheimische und ausländisch finanzierte Unternehmen sowie gleichberechtigte Beteiligung an öffentlichen Ausschreibungen zu fördern.
Darüber hinaus wird der Investitionsschutz verbessert, indem die Möglichkeit des Staates, von ausländischen Investoren getätigte Investitionen zu enteignen, eingeschränkt wird. Zudem werden die Überweisung von Geldern in und aus dem Land erleichtert, der Schutz geistigen Eigentums verstärkt und Maßnahmen gegen erzwungenen Technologietransfer und Weitergabe von Geschäftsgeheimnissen ergriffen.
Es ist wichtig zu beachten, dass die Genehmigung von Auslandsinvestitionen gemäß dem Grundsatz der Inländerbehandlung und der Negativliste erfolgt. Dies bedeutet, dass ausländische Investoren nicht in unzulässige Branchen, wie in der Negativliste angegeben, investieren dürfen und die Investitionsbedingungen für Branchen, welche Einschränkungen unterliegen, einhalten müssen. Ausländische Investitionen in Branchen, welche nicht ausgeschlossen oder eingeschränkt sind, sollten jedoch gleich behandelt werden wie inländische (chinesische) Investitionen.
Das Auslandsinvestitionsgesetz tritt zum 1. Januar 2020 in Kraft und ersetzt die Gesetze der Volksrepublik China über Joint Ventures mit chinesisch-ausländischer Beteiligung (Sino-Foreign Equity JV, EJV), Joint Ventures mit chinesisch-ausländischer Kooperation (Sino-Foreign Cooperative JV, CJV) und vollständig in ausländischem Besitz befindliche Unternehmen (Wholly Foreign-Owned Enterprise, WFOE).
Ausländisch finanzierte Unternehmen, die vor Inkrafttreten des neuen Gesetzes gemäß den vorgenannten Gesetzen gegründet wurden, können ihre ursprünglichen Rechtsformen und damit verbundene Aspekte nach Inkrafttreten des neuen Gesetzes fünf Jahre lang beibehalten. Anschließend unterliegen ausländisch finanzierte Unternehmen dem Gesellschaftsrecht, dem Unternehmenspartnerschaftsrecht und weiteren Gesetzen, was bedeutet, dass für sie dieselben Gesetze wie für einheimische Unternehmen gelten.

IMPLIKATIONEN FÜR AUSLÄNDISCH FINANZIERTE UNTERNEHMEN IN CHINA​

Wie zuvor erwähnt, müssen sich Unternehmen künftig an unterschiedliche Gesetze halten. Unternehmen, welche in den chinesischen Markt eintreten möchten, müssen gemäß dem neuen Auslandsinvestitionsgesetz gegründet werden. Unternehmen, die sich derzeit in der Gründungsphase befinden, wird empfohlen, die Auswirkungen dieser Gesetzesänderung mit ihren Beratern zu besprechen.
Zum anderen haben Unternehmen, welche nach den Gesetzen des EJV, des CJV oder des WFOE gegründet wurden, eine Übergangsfrist von fünf Jahren, um ihre Struktur gemäß dem neuen Auslandsinvestitionsgesetz anzupassen. Im Folgenden diskutieren wir speziell, wie sich die Umsetzung des Gesetzes auf WFOE und Joint Ventures auswirkt.

VOLLSTÄNDIG IN AUSLÄNDISCHEM BESITZ BEFINDLICHE UNTERNEHMEN (WFOE)​

Da das bestehende WFOE-Gesetz bereits weitgehend dem Gesellschaftsrecht entspricht, wird es für bestehende WFOE nur begrenzte Auswirkungen geben. Nachfolgend haben wir die Auswirkungen für WFOE erläutert:

1. Nach dem neuen Auslandsinvestitionsgesetz sind WFOE nicht mehr auf die Organisationsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung festgelegt, sondern können auch die Form einer Aktiengesellschaft gemäß dem Gesellschaftsrecht annehmen.
2. Nach dem WFOE-Gesetz müssen ausländisch finanzierte Unternehmen mindestens 10% des Nachsteuergewinns bis zur Höhe von 50% des Grundkapitals einem Rücklagenfonds sowie einem Mitarbeiterbonus- und Sozialfonds zuführen. Nach dem Gesellschaftsrecht haben Unternehmen 10% ihres Nachsteuergewinns als gesetzliche Gewinnrücklage einzustellen. Sie sind jedoch nicht verpflichtet, Rücklagen für Mitarbeiterbonus- und Sozialfonds zu bilden, sofern dies im Ermessen der Anteilseigner liegt.
3. Zudem muss im Falle einer Liquidation der Liquidationsausschuss nicht mehr den gesetzlichen Vertreter einschließen, sondern wird auf Beschluss der Anteilseigner gebildet bzw. über die Aktionärshauptversammlung festgelegt.

JOINT VENTURES (JVS)

Demgegenüber werden die Auswirkungen des neuen Auslandsinvestitionsgesetzes für Joint Ventures größer ausfallen. Unter anderem sollten bestehende Joint Ventures Folgendes berücksichtigen:

1. Nach dem EJV- und CJV-Recht ist der Vorstand des Unternehmens die oberste Instanz, welche über alle wesentlichen Fragen im Zusammenhang mit dem Joint Venture entscheidet. Nach dem Gesellschaftsrecht stellt hingegen der Ausschuss der Anteilseigner die oberste Instanz dar.
2. Änderungen der Satzung der Gesellschaft (u.a. Erhöhung oder Verminderung des Grundkapitals sowie Firmenfusion, Aufspaltung, Auflösung oder Änderung der Gesellschaftsform) werden gemäß Gesellschaftsrecht per Mehrheitsbeschluss (zwei Drittel) der Anteilseigner vorgenommen, wohingegen dies nach den derzeit geltenden JV-Gesetzen einstimmige Zustimmung der Vorstandsmitglieder erfordert.
3. Infolgedessen müssen die Joint-Venture-Vereinbarungen bestehender JV neu verhandelt werden. Obgleich das Gesetz eine Umsetzungsfrist von 5 Jahren vorsieht, sollten ausländische Investoren dieses Thema baldmöglichst in den Blickpunkt nehmen, da Neuverhandlungen in der Regel komplex und zeitaufwändig sind.

FAZIT​

Ob die Ziele, die des neue Auslandsinvestitionsgesetz verfolgt, erreicht werden, bleibt abzuwarten. Wenngleich das neue FIL in der internationalen Geschäftswelt gut aufgenommen wurde, besteht nach wie vor Skepsis hinsichtlich verwendeter Formulierungen und Definitionen sowie der weiteren Umsetzung vor Ort.
Der US-China Business Council betonte, dass der Entwurf des Auslandsinvestitionsgesetzes nicht darauf eingehe, wie ausländischen Unternehmen fairer Wettbewerb mit einheimischen Akteuren zuteilwerde. Es sei unwahrscheinlich, dass die Ausdrucksweise des Gesetzestexts ausreiche, um eine gleichberechtigte Teilnahme ausländischer Unternehmen zu ermöglichen. Zudem würden keine genauen Angaben darüber gemacht, welche Art der Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen unterbunden werde und was Begriffe wie „nationales Interesse“ und „öffentlich-gesellschaftliches Interesse“ genau beinhalten. Die Handelskammer der Europäischen Union in China erachtet das neue Gesetz als „überraschend entgegenkommend“ in Bezug auf ihre Bedenken. Sie merkt jedoch an, dass zwar die Gesetze und Vorschriften in China im Großen und Ganzen sehr gut seien, dass sich deren Umsetzung jedoch regional und auf verschiedenen Ebenen unterscheide und daher die Frage, ob das Gesetz die gewünschten Auswirkungen zeigen werde, von der praktischen Umsetzung abhänge.
Wenn auch die vollständigen Auswirkungen des neuen Auslandsinvestitionsgesetzes und dessen weitere Umsetzung noch abzuwarten bleiben, müssen sich ausländische Investoren ab dem 1. Januar 2020 nach den neuen Vorschriften richten. Obgleich eine Übergangsfrist von fünf Jahren besteht, raten wir Unternehmen dazu, die erforderlichen Anpassungen frühestmöglich anzugehen.
Wenn Sie Fragen zu diesem Thema haben, wenden Sie sich bitte an [email protected].